Reflexion durch Redewendung
Warum sollten wir dem, was wir sagen, mehr Beachtung schenken?
Die Psyche und der Körper
Dass sich die eigene psychische Verfassung als körperliches Symptom niederschlagen kann, ist längst ein bekanntes Phänomen. Warum auch nicht? Schließlich ist die Psyche ein Teil unseres Nervensystems und damit auch ein Teil unseres Körpers.
Die Zeiten in denen wir davon ausgegangen sind, dass Körper und Psyche getrennt voneinander zu betrachten sind, liegen somit glücklicherweise in der Vergangenheit. Ein physischer Mangel, wie z.B. fehlende Nahrung, kann emotionale Auswirkungen haben, genauso wie ein psychischer Mangel (z.B. fehlende Sicherheit als Kind) zu körperlichen Symptomen führen kann.
Die Sprache und ihre Anwendung
Mittlerweile auch bekannt und akzeptiert ist, dass wir für viele psychosomatische Symptome in unserer Sprache Redewendungen haben, die eigentlich ganz genau erklären, was gerade los ist.
Ein paar Beispiele, wie sich Wut verkörpern kann:
„Das macht mich krank“
„Das finde ich zum kotzen“
„Blind vor Wut“
„Rasend vor Wut“
„Vor Wut platzen“
„Rot vor Wut“
„Innerlich kochen“
Doch obwohl wir so genau wissen, dass die Sprache so viel erklären könnte, nutzen wir dieses Wissen so selten für uns.
Dabei könnten wir der Psychosomatik ganz leicht mehr Aufmerksamkeit schenken und in unserem Alltag der Sprache mehr Bedeutung schenken.
2 Übungen:
Um mehr Bewusstsein für die eigenen inneren Prozesse zu bekommen, gibt es hier zwei kleine Refelxionsübungen für den Alltag, die du einfach einmal ausprobieren kannst. Wenn du das Gefühl hast, dir zeigt sich eh nur das, was du sowieso schon die ganze Zeit weißt, dann such dir ein Gegenüber und frag einmal, welche Redewendungen und Sichtweisen diesem bei dir auffallen. Vielleicht zeigt sich da auch das eine oder andere Neue.
Übung 1: Nimm dir etwas Zeit für dich und beschreibe dich und deinen Zustand.
Welche Redewendungen nutzt du?
- Haare: Bist du „platt“ oder „in Schwung“?
- Haut: Bist du eher „blass“ (Angst, Wut, Neid), „rosig“ (Hoffnung, Energie, positiv, lebendig), „rot“ (Wut, Zorn, Hass), „grün“ (Neid, Eifersucht, Übelkeit, Ekel), „strahlend“ (energiegeladen, vor Freude)?
- Muskulatur: Bist du „angespannt“ (weil dir etwas bevor steht), „verspannt/verkrampft“ (weil du dich zu etwas zwingst) oder „entspannt/gelassen“ (mit innerer Ruhe bei der Erledigung)?
- Nervensystem: Bist du „aufgedreht“ oder fühlst du dich in deiner Energie „gedrosselt“? Bist du „geladen“ oder fühlst du dich „geerdet“? „Liegen deine Nerven blank“ oder fühlst du dich „taub“?
Für alle körperlichen Bereiche und Systeme gibt es unterschiedliche Redewendungen.
Wenn du dich wunderst, warum dir morgens immer schlecht wird, oder du dich nach der Arbeit fühlst wie erstarrt usw. dann nimmt diese Empfindungen einmal ganz wörtlich und schaue dir an, was sie dann bedeuten würden.
Vielleicht findest du es wirklich zum kotzen, dass du morgens schon viel erledigen musst oder vielleicht spaltest du dich vor dem Bildschirm tatsächlich von deinem Körper ab, wodurch dieser vor Bewegungslosigkeit erstarrt.
Wichtig ist: Übung macht den Meister. Also gib nicht nach dem ersten Mal direkt auf.
Übung 2: Beobachte dich im Gespräch:
Welche Redewendungen nutzt du und auf welche Mängel könnten sie hindeuten?
- „Das geht mir so auf die Nerven“, „Ich bin total sensibel/dünnhäutig“ (fehlende Abgrenzung)
- „Ich komme gar nicht mehr runter“, „Ich gehe schon auf dem Zahnfleisch“ (fehlende Ruhephasen/Regulation)
- „Ich verliere den Überblick“, „Ich sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht“ (fehlende Abstraktion)
- „Als wäre ich unsichtbar/gar nicht da/durchsichtig“ (fehlende Substanz/Zugehörigkeit)
- „das ist völlig aussichtslos/hoffnungslos“, „da kann ich ja eh nichts machen“, „egal wie ich mich entscheide…“ „zwischen Pest und Cholera“ (fehlende Handlungsmöglichkeiten)
Bitte denke daran, dass Wahrnehmung immer der erste Schritt ist, erst dann folgt die Zuordnung (also die Erkenntnis, was das Wahrgenommene eigentlich ausdrücken möchte). Handlung ist erst der dritte Schritt und benötigt zumeist die Fähigkeit der Abstraktion.
Das heißt, erst wenn uns bewusst wird, dass wir eine Situation so wahrnehmen, können wir uns auch langsam darüber bewusst werden, ob unsere Interpretation auch tatsächlich „wahr“ ist. Nicht jede Situation, die aussichtslos erscheint ist auch aussichtslos. Vielleicht können wir in unserer eingeschränkten Sicht den Ausweg nur nicht sehen.