Du bist, was Du isst – Teil I

Wieso Deine Ernährungsweise viel über Dich verraten kann.

Deine Kindheit und deine Sozialisierung können viel mit deiner Wertschätzung deinem Körper und Lebensmitteln gegenüber zu tun haben.

29 Jun 2022

Du isst, wie Du geprägt wurdest.

In dem vorherigen Beitrag „Du bist, was Du isst – Hintergrund“ habe ich euch berichtet, wie dieser Spruch entstanden isst und warum er für mich so interessant ist. Doch die Art und Weise, wie wir essen und was wir essen, sagt noch soviel mehr über uns aus. Zwei Beispiele dafür findet ihr in diesem Artikel.

Esskultur und Sozialisierung

Jede Region, jedes Land und jede Familie besitzen ihre eigene Esskultur, an die im Laufe unserer kindlichen Entwicklung heran geführt werden. Mit dem Begriff „Kultur“ meine ich hierbei die Gesamtheit der von der Gemeinschaft geschaffenen Art und Weise des Zusammenlebens. Unsere Familie ist diese erste Gemeinschaft, in die wir hinein geboren werden und die unsere Art und Weise des Essens mit ihren Regeln prägt.

Wie wir Essen verstehen und welche Emotionen wir mit der Nahrungsaufnahme und einzelnen Lebensmitteln verbinden, wird also sehr stark von ihnen geprägt.

  • Wurde sich für jede Mahlzeit Zeit genommen oder nur schnell etwas heruntergeschlungen, damit weiter gearbeitet werden konnte?
  • Wurde zusammen am Tisch gegessen oder aß jeder für sich allein, wenn er Hunger hatte?
  • Wurde am Essverhalten viel kritisiert oder durfte jeder essen wir er wollte?
  • Wurde Essen gewertschätzt oder war es nur ein Mittel zum Zweck?
  • Gab es religiöse oder ethisch/moralische Konzepte die mit der Nahrungsaufnahme zusammenhingen oder wurden durch Nahrungsvorenthaltung gestraft?

All diese und noch viele weitere Faktoren aus unserer Kindheit prägen unsere heutige Esskultur. Das gilt sowohl für das vollständige Übernehmen der elterlichen Regeln für restliche Leben, wie auch für den kontinuierlichen Versuch gegen die elterlichen Regeln aufzubegehren und alles so anders wie nur möglich zu machen. Hinter beiden Mustern steckt nun einmal eine frühkindliche Prägung.

Auch kann diese familiäre Esskultur eine große Auswirkung auf unsere emotionale Verbindung zu Lebensmitteln haben. Je nachdem was es Zuhause zu essen gab und wie wohl wir uns beim Essen gefühlt haben, können wir mit dem Verzehr bestimmter Lebensmittel wohlige Gemütlichkeit oder Härte und Einschränkungen erfahren, ebenso wie uns ein frisches Croissant nach Frankreich und eine dampfende Paella nach Spanien versetzen können.

Wertigkeit und Wertlosigkeit

Als Kinder sind wir sehr von unserem Umfeld abhängig. Wir sind vollständig darauf angewiesen ernährt zu werden. Dabei geht es nicht nur darum essen zu bekommen, wenn wir Hunger haben, sondern es geht auch darum, das richtige Essen zu bekommen: also alle Makro- und Mikronährstoffe.

Diese bekommen wir als Föten zunächst durch die Nabelschnur, dann als Säuglinge durch die Muttermilch, bevor wir sie schließlich selbst aus den Mahlzeiten die wir erhalten ziehen müssen.

Dabei kann es allerdings passieren, dass schon unsere Mutter nicht mit den ausreichenden Nährstoffen versorgt ist, keine richtige Bindung möglich ist, die Muttermilch z.B. sauer schmeckt, das Stillen nicht funktioniert oder die Mutter einfach nicht dann zur Verfügung steht, wenn das Kind Hunger hat. Wir bekommen also als Baby schon nicht alles, was wir eigentlich benötigen.

Das Problem ist allerdings, dass Kinder aus ihrer großen Abhängigkeit heraus, den Fehler nicht bei ihren Eltern sondern nur bei sich selbst suchen können. Aus einer fehlenden Nährstoffversorgung wird im kindlichen Gehirn: „Ich bin es nicht Wert versorgt zu werden“.

Auch in späteren Stadien der kindlichen Entwicklung kann dieses Gefühl der Wertlosigkeit noch gestärkt werden.

Früher war es z.B. üblich, dass der Ernährer der Familie – zumeist der Vater – auch zuerst essen durfte und von allem das Beste/größte Stück bekam. Selbst meine Oma hat beim Servieren den Männern noch den Vorzug und die Frauen ermahnt nicht so gierig zu sein. Was früher ebenfalls aus einer überlebensnotwendigen Abhängigkeit entstand, führt dennoch im Kopf der kleinen Mädchen (aber auch Jungen) zu: „Ich bin nicht so viel Wert wie mein Vater“ und „ich muss mich zum Wohle aller zurücknehmen und meine eigenen Bedürfnisse unterdrücken.“

Diese fehlende Wertigkeit der eigenen Person, kann sich im Essverhalten niederschlagen z.B. indem wir es uns nicht Wert sind gute Produkte zu verzehren oder ausgewogene Mahlzeiten zu kochen, die uns wirklich versorgen. Es kann aber auch so weit gehen, dass wir unbewusst denken, es gar nicht verdient zu haben, überhaupt Energie zu erhalten.