Geschichten Teil II

In diesem Beitrag geht es um die Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen und welche Bereiche unsere Sicht auf die Dinge bewusst und unbewusst beeinflussen und die tatsächliche Realität verschleiern. In diesem Teil wird es außerdem konkreter, was das alles mit unserer Ernährung zu tun hat.

29 Sep 2022

Wie wir die Welt wahrnehmen

Traumata und Selbstüberzeugung

Traumata können uns sehr weit von der tatsächlichen Realität abbringen, denn Traumata sind per Definition Wunden. Ist der Schmerz durch eine physische Wunde zu stark, lässt unser System diesen Reiz nicht mehr zu unserem Gehirn gelangen, stattdessen wird die entsprechende Stelle vorübergehend taub, bis unser Körper versorgt und die Gefahrensituation überstanden ist. Ähnlich funktionieren auch emotionale Wunden. Ist ein emotionales Trauma zu stark, um verarbeitet werden zu können, spalten wir es ab und stellen uns taub dagegen. Das Anerkennen der wirklichen Realität kann exakt so ein emotionales Trauma sein.

Ein kleines Kind, das vollständig von seinen Eltern abhängig ist, kann sich z.B. nicht eingestehen, dass seine Eltern nicht dazu in der Lage sind, es zu versorgen (ob es sich nun um Nahrung, Liebe oder etwas anderes handelt). Denn was wäre die einzige Schlussfolgerung, die es in seiner vollständigen Abhängigkeit daraus ziehen könnte? Stattdessen versucht es die Fehler bei sich zu suchen und sich zu ändern, um doch noch die benötigte Zuwendung zu erhalten. Die Realität hat sich geändert: von schlechten Eltern zu einem schlechten Selbst. Um die Schmerzen und die Konsequenzen der tatsächlichen Realität nicht wahrnehmen zu müssen, beginnen wir uns eine Geschichte zu erzählen, z.B. von einer wirklich schönen Kindheit.

Traumata sind so schwerwiegend, dass sie uns ein Leben völlig abgespalten von uns selbst führen lassen können und benötigen eine gute Traumatherapie, um Schritt für Schritt aufgelöst werden zu können.

Geschichten, die wir uns über unsere Ernährung erzählen

Auch wenn es darum geht, wie wir uns ernähren & versorgen und warum, erzählen wir uns eine Geschichte. Diese Geschichte besteht aus dem was wir wahrgenommen und gelernt haben, dem wie wir geprägt worden sind und dem wie wir uns am liebsten selbst überzeugen wollen, damit wir die wahre Realität so weit weg packen können, wie nur möglich.

Hinter Sätzen wie:

  • „die Menge passt einfach nicht zu meinem Grundumsatz, mein Körper ist halt anders“
  • „das mag vielleicht für Leute mit Geld klappen, aber nicht für mich“
  • „ich hab im Alltag keine Zeit dafür mich mit kochen zu beschäftigen, ich bin ja jetzt schon nur auf Achse“
  • „Ich kann einfach nicht kochen, das war schon immer so“

usw.

stecken meisten ganz andere Realitäten.

Denn ein hoher Grundumsatz und der Bedarf ständig Kohlenhydrate nachzuschaufeln, hat nicht immer etwas mit dem vielfach genannten schnellen Stoffwechsel zu tun. Er kann sowohl physische, als auch psychische Ursachen haben; am Häufigsten ist sogar eine Kombination aus beidem. Denn z.B. ein Feststecken im Überlebensmodus und ein kontinuierlich hoher Andrenalinspiegel können dazu führen, dass kaum noch Glykogenspeicher im Gewebe angelegt werden und zudem unglaublich viel Zucker für den Alltag benötigt wird. Wenn wir allerdings lieber an der Meinung festhalten: „das ist halt bei mir so,“ dann ist das häufig ein Zeichen dafür, dass wir uns lieber eine Geschichte erzählen, als genau hinzugucken.

An die wahren Hintergründe kommt man nur langsam und mit Hilfe und dann auch erst, wenn man wirklich hinter die selbstgebaute Fassade blicken möchte. So oder so benötigt eine Veränderung immer eine vorausgehende Handlung. Das heißt auch, erst wenn wir handeln, indem wir in die Umsetzung gehen, werden wir mit den tieferliegenden Problemen konfrontiert. Wenn wir uns allerdings im Vorhinein lieber für die Geschichte als für die Realität entscheiden, wird sich auch nichts ändern.