Kontruktiver Frust

Gibt es eigentlich einen konstruktiven Umgang mit Frust? Und wenn ja, wie lässt sich Frust gut nutzen? Ein gutes Beispiel hierfür liefern uns die ganz Kleinen in der Gesellschaft.

13 Okt 2022

Frust ist eine Empfindung, die in den seltensten Fällen wirklich Spaß macht. Wir sind frustriert, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es wollen oder wenn etwas viel mehr Kraft oder Zeit kostet, als geplant, wir sind frustriert, wenn wir anderen dabei zugucken, wie sie etwas einfach hinbekommen, das bei uns einfach nicht klappen will und wir sind natürlich auch frustriert, wenn wir einfach nicht wissen was wir wollen.

Frust ist also etwas, was uns im Leben immer und immer wieder begegnen wird und dem wir einfach nicht entkommen können, egal wie sehr wir es auch versuchen.

Denn Frust ist direkt verknüpft mit unserem Willen und unserer Entwicklung.

Frust bei Kindern

Wenn man kleine Kinder beobachtet, dann sieht man das Frustration schon sehr früh anfängt. Auch wenn wir uns nicht mehr bewusst daran erinnern, aber das erste Mal Umdrehen, das erste Mal eigenständig Sitzen, das erste Mal gehen und die ersten Versuche seine Wünsche auszudrücken, waren unglaublich anstrengend und die vielen Versuche davor, bei denen es nicht geklappt hat, unglaublich frustrierend. 

Bei einem kleinen Kind, das sich immer wieder an einem Stuhl oder Tisch hochzieht, um ein paar Sekunden später wieder auf dem Hosenboden zu landen, kann man wunderschön diesen hochkonzentrierten Blick und den beinharten Willen sehen, nicht aufzugeben, aber auch das wütende und frustrierte auf den Boden Hauen, wenn es schon wieder nicht geklappt hat.

Doch das Schöne ist, dass Kinder ihren Frust noch für sich zu nutzen wissen. Sie verstecken sich nicht vor der Herausforderung und geben auf, denn das würde für sie bedeuten, für immer in Abhängigkeit zu bleiben. Und wer will das schon?

Sie nutzen den Frust und ihren Willen, um voran zu kommen. Der Wunsch selbstständig mit den Spielkameraden loslaufen zu können, anstatt langsam hinterher zu krabbeln oder darauf zu warten getragen zu werden, ist größer, als der Wunsch aufzugeben. 

Frust bei Erwachsenen

Interessanterweise hört dieser konstruktive Umgang mit Frust mit dem Erwachsenwerden langsam auf. Anstatt den Frust für uns zu nutzen und Veränderung anzustoßen, geben wir uns der Situation geschlagen, laufen dauerhaft frustriert durch die Gegend oder Unterdrücken den Frust sogar und machen ich damit psychosomatisch: Hallo Leberprobleme!

Ich selbst habe in dem ganzen Prozess, den ich in den letzten Jahren durchlaufen habe, immer wieder mit unglaublich frustrierenden Phasen zu tun gehabt und bin mir auch sehr sicher, dass ich für den Rest meines Lebens auf Frust treffen werde.

Was sich langsam aber sicher ändert, ist mein Umgang mit diesem. Denn ich lerne meinem Frust Schritt für Schritt wieder zu nutzen und zu schätzen. Frust zeigt mir meine Bedürfnisse auf und wo ich in die Handlung kommen und dringend Veränderung in mein Leben bringen muss.

Und Frust begleitet mich immer und immer wieder bei dem Prozess der Umsetzung, bis ich das tatsächlich bestmögliche für mich erreichen konnte und die nächste Herausforderung auf mich wartet. Denn genau das ist Wachstum und Entwicklung.

Gründe für den schlechten Umgang mit Frust

Doch warum haben wir Erwachsenen uns den konstruktiven Umgang mit Frust entsagt und lassen uns durch Frustration lieber lähmen, als voran bringen?

Meiner Ansicht nach hat das auch viel damit zu tun, dass wir uns im Laufe des Erwachsenwerdens ebenfalls entsagt haben, etwas zu wollen.

Denn zum einen lernen wir, dass ein eigener Wille in der heutigen Gesellschaft keinen Platz hat. Schließlich fallen schon in der Schule die Kinder durchs Raster, denen es schwerfällt sich anzupassen und gelten als „aus denen wird eh nichts mehr.“ Weswegen wir unsere Bedürfnisse und unseren eigenen Willen zum Wohle der gesellschaftlichen Konformität unterdrücken müssen.

Und zum anderen wird gerade der Prozess zum selbstständig werden, selbstständig denken und unabhängig werden, fast gar nicht mehr gefördert. Unser oberstes Ziel ist es nun einmal zu funktionieren.

Frustration für sich nutzen

Doch kann man Frustration nicht für sich nutzen, wenn man weder weiß, was man will, noch eine Vorstellung davon hat, wie eine Verbesserung der eigenen Situation aussehen könnte? Oder wird Frustration dann zu der allgemein bekannten Falle, in der man mit Glück noch bewusst merkt, wie frustriert man eigentlich ist, aber aus Alternativlosigkeit und fehlendem Willen Krank wird vor Frust?

Wichtig ist zu erkennen, dass das Gefühl von Frust bereits beinhaltet, dass ein Wille für Veränderung da ist. Blockiert ist zumeist das in die Handlung kommen, ausprobieren, fallen, wieder aufstehen und weitermachen und genau dahin müssen wir wieder kommen. Denn nur durch ausprobieren schaffen wir einen neuen Resonanzboden, mit Hilfe dessen wir uns auch wieder eine realistische Veränderung vorstellen können. „So kann sich etwas anfühlen“, „so kann mein Alltag aussehen“, „so kann ich aussehen“ etc. sind diese neuen Resonanzböden, nach denen wir uns dann Schritt für Schritt ausrichten können.

Und der Frust, der auf dem Weg entsteht, wenn es dann mal wieder länger dauert oder uns doch nicht ganz so leicht fällt, dieser Frust muss wahrgenommen und gehalten werden, bis es tatsächlich geschafft ist und ermöglich uns dann ein Gefühl von siegreichem Triumpf, den es zu genießen gilt, bevor der nächste Berg erklommen wird.